Ambroise Marchand

Der Damhirsch am Bodensee

Der Damhirsch am Bodensee

Schon seit vier Jahren bin ich regelmässig zusammen mit  Ingo Seehafer am Bodensee unterwegs, um Damhirsche (Dama dama) zu beobachten. Wir hatten per Zufall eine kleine Damhirschpopulation entdeckt und kehren seither immer wieder dorthin zurück. Jedes Mal hoffen wir, tolle Aufnahmen realisieren zu können.

Wir haben wahrscheinlich mehre hundert Stunden im Wald verbracht, unsere Fotodatenbank hat sich dabei stark vergrössert. Dennoch wurden noch nicht alle Bildideen umgesetzt, denn die Natur ist und bleibt unberechenbar. Aber genau das macht den Reiz aus, jedes Jahr dorthin zurück zu kehren! Wir haben auch eine ganze Reihe an Erlebnissen gesammelt. Besonders ist die Geschichte des oben gezeigten Bildes. Im Herbst 2015 waren wir auf der Suche nach schönen Platzhirschen. Nach zwei Wochen im Wald hatten wir viele tolle Beobachtungen gemacht, aber vernünftige Bilder fehlten uns noch. Am vorletzten Tag am Bodensee waren wir auf separaten Wegen unterwegs. Dabei konnte ich ein Männchen tief im Wald hören. Nach einer Stunde geduldigen Wartens sah ich ihn vom Waldweg her erstmals. Er war sehr aktiv, aber leider für schöne Fotos zu weit weg. Ich blieb dort und hörte noch mehrere Minuten lang sein lautes Rülpsen (der Brunftschrei des Damhirsches). Plötzlich fuhren Fahrradfahrer vorbei und es wurde sofort still. Dennoch wartete ich noch länger, ohne mich zu bewegen. Schliesslich entschied ich mich, entlang eines kleinen Pfades zu laufen. Sehr langsam bewegte ich mich und versuchte, keine Geräusche zu machen. Da entdeckte ich zwischen Adlerfarn zwei riesige Schaufeln (Geweih des adulten Damhirsches): Er schlief einige Meter von mir entfernt! Ich blieb still, keine Ahnung wie lange, aber ich hatte das Gefühl, dass es Jahrhunderte dauerte! Irgendwann war er wach, stand auf, schaute mich kurz an und verschwand dann langsam im tiefen Wald.

Merkmale

Damwild ist größer als Rehe, aber kleiner als der Rothirsch. Es wirkt eher gedrungen. Die Hirsche wiegen 80 kg und mehr, Weibchen nur etwa die Hälfte. Typisch für diese Wildart ist das gefleckte Fell. So lässt es sich meist von Reh und Rothirsch unterscheiden. Es kommen relativ häufig schwarz gefärbte Tiere vor – und auch Albinos. Wir konnten im besuchten Gebiet einige schwarze Hirsche beobachten und auch fotografieren, aber keine Albinos.

Verbreitung

Damwild besiedelte bis zur letzten Eiszeit weite Bereiche der nördlichen Halbkugel. Die extremen Witterungsverhältnisse trieben diese Tierart aber in den wärmeren Mittelmeerraum. Doch schon die Römer begannen damit, das Damwild nach Mittel- und Nordeuropa wieder zurück zu siedeln. Alle heutigen Vorkommen, auch die am Bodensee, sind vom Menschen gewollte Wiederansiedlungen.
Damwild bevorzugt offene, parkähnliche Landschaften und geht zum Äsen auf Wiesen. Und das am helllichten Tag! Im Gegensatz zu Reh und Rothirsch, die durch zu starke Bejagung nachtaktiv wurden, blieb das Damwild tagaktiv. Einer der Gründe dafür sind seine Augen: Damwild kann zwar hervorragend sehen, aber nur am Tage. Nachts würde es wegen der geringen Sehkraft nur stolpernd durch den Wald wandeln können.

Rudel, Geweih und Brunft

In der Regel lebt das Damwild in Rudeln aus 3 bis 30 Tieren. Diese können sowohl aus alten und jungen Tieren, Weibchen und Männchen, aber auch nur aus Männchen bestehen. Alte Hirsche können zu Einzelgängern werden.
Im Frühjahr (ab Mai) beginnen die Männchen mit der Ausbildung ihres Schaufelgeweihs, nachdem sie im April das vorjährige abgeworfen haben. Ein solches Geweih kann bis zu 70 cm lang werden und über 4 kg wiegen! Im August wird dann gefegt, also der Bast, der um das Geweih liegt und dem Wachsen des desselben diente, entfernt. Wir konnten während der Brunft Hirsche mit nur eine Geweihhälfte beobachten, die sogenannten "Einhörner". Das entsteht während des Wachstums, wenn ein Männchen sich verletzt. Dann verläuft das weitere Wachstum nicht mehr normal oder stoppt gar vollständig. Während dieser Zeit wird für die kommende Brunft auch ordentlich Fett angesetzt, denn in der Fortpflanzungszeit können die Männchen bis zu 20 kg Gewicht verlieren.
Anfang Oktober ist alles gerichtet und die Brunft kann beginnen. Sie findet immer am selben Ort statt. Dazu finden sich die Männchen dort zusammen, scharren Brunftkuhlen, urinieren in diese hinein, markieren sie auch noch mit einer Duftdrüse und setzen sich schließlich dort hinein. Sobald die ersten Weibchen erscheinen, geht es richtig los: Es wird wie wild herumgelaufen und der Brunftschrei des Damhirsches schallt durch den Wald. Immer wieder grunzen und rülpsen sich die Männchen an, um den Weibchen ihre Stärke zu demonstrieren. Kämpfe sind selten, dann aber sehr beeindruckend.

Fortpflanzung

Hat ein Weibchen entschieden, einer der Kerle sei es Wert, so zeigt es dies an und lässt das Männchen den Begattungsakt vollziehen. So geht es mehrere Wochen lang, bis alle fortpflanzungsreifen Weibchen an der Reihe waren. Nach ca. 230 Tagen Tragzeit bringt das Weibchen im Juni ein Junges (selten zwei) zur Welt, welches vier Monate lang gesäugt wird. Meist begleiten die Jungen die Mutter noch in der kommenden Brunft und lernen dabei aus dem Gesehenen.

Für uns ist das Damwild zu einem unserer Lieblingstiere geworden. Sie sind nicht sehr scheu, sehen toll aus, und ihr Familienleben lässt sich beinahe hautnah miterleben.

Ich hoffe, dass Sie auch Lust bekommen haben, diese Tiere zu entdecken! Mehr Informationen finden Sie in unserem Buch über den Bodense! Wir werden sicher noch viele Stunden mit den Damhirschen verbringen, und vielleicht werden wir Sie auch auf der Spur des Damhirsches im Wald antreffen!

Mehr über unser Buch „Der Bodensee - Erlebnis zwischen Überlinger See und Untersee“ finden Sie hier oder beim  Verlag.

Mehr Bilder des Damhirsches gibt es hier, mehr Fotos des Bodensees hier.

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